Tierschutz in der EU-Verfassung

Von den Medien und damit auch von der Öffentlichkeit aber auch den meisten Tierschutzorganisationen unbemerkt wurde der Tierschutz doch noch in letzter Sekunde in den EU-Verfassungsentwurf aufgenommen. Die entsprechende Gesetzespassage findet sich in Artikel III-5a des dritten Teils des Vertragswerks, in welchem die Politikbereiche und Arbeitsweise derUnion geregelt werden. Wörtlich heißt es hier:

Dem Wohlergehen der Tiere als fühlende Wesen in vollem Umfang Rechnung tragen

"Bei der Festlegung und Durchführung der Politik der Union in den Bereichen Landwirtschaft, Fischerei, Verkehr, Binnenmarkt, Forschung, technologische Entwicklung und Raumfahrt tragen die Union und die Mitgliedstaaten den Erfordernissen des Wohlergehens der Tiere als fühlende Wesen in vollem Umfang Rechnung; sie berücksichtigen hierbei die Rechts- und Verwaltungsvorschriften und die Gepflogenheiten der Mitgliedstaaten insbesondere in Bezug auf religiöse Riten, kulturelle Traditionen und das regionale Erbe."

Mag letztgenannte Einschränkung, wie sie zuvor bereits das Tierschutzprotokoll zum Amsterdamer Vertrag vorgesehen hatte, zurecht beklagt werden, da auf dieser Grundlage auch zukünftig etwa der Singvogelfang im oberösterreichischen Salzkammergut, Stierkämpfe oder Schächtrituale legalisiert werden können, so bleibt die Erwähnung des Tierschutzes als Politikziel der Union dennoch gravierend.

Noch deutlicher wird der Erfolg, bedenkt man etwa, daß der von vielen Seiten geforderte Gottesbezug im EU-Verfassungsentwurf fehlt.

Bundeskanzler Schüssel als Advokatus der Tiere
Anders als die Formulierung des deutschen Grundgesetzes benennt der europäische Textentwurf, an dessen Zustandekommen Österreichs Bundeskanzler Schüssel nach eigener Aussage besonderen Anteil hat, konkrete Politikbereiche, in denen Tierschutz zukünftig zu beachten ist. Hier wie dort ist eine erste substantielle Rechtsgrundlage geschaffen, auf der artspezifische Bedürfnisse der von der Staatengemeinschaft als leidensfähig anerkannten Tiere eingefordert und damit entsprechende Rechtsansprüche verwirklicht werden können. Als formal bloßer Vertrag der Regierungen muß der Verfassungsentwurf in den kommenden Monaten von den einzelnen Mitgliedstaaten entsprechend ihren verfassungsrechtlichen Vorgaben ratifiziert werden. Frühester Termin für ein Inkrafttreten ist der 1. November 2006.